ALTE KUNST: GANDHĀRA
Ausgewählte Werke
Kopf einer Stifterfigur
Afghanistan oder Nordwestpakistan späte Gandhāra-Zeit
Kopf einer Stifterfigur
Terrakotta
15 x 11,4 x 11,5 cm HBT
Später Gandhāra-Stil, 3.– 4. Jh. n.u.Z.
Inv.-Nr. 100.005.0007
Erhaltungszustand: Gut. Rotbraun gebrannter Ton. Reste schwarzer Bemalung auf dem Haar. Geringe Abplatzungen der Oberfläche im Gesicht und auf den Haaren. Verkrustungen im Haar. Die Locken des Hinterkopfs sind abgebrochen.
Kopf einer jungen Frau mit rundem Gesicht mit europäischen Gesichtszügen: einer feinen Nase, vollen Lippen, durch ihr Lächeln betonten Wangen, und einem kleinen, aber ausgeprägten Kinn über einem kräftigen Hals. Im Gegensatz zu diesen Zügen, die an griechische Vorfahren erinnern dürften, steht die Form der Augen mit ihrem schweren Lidern, die möglicherweise auf indischen Einschlag zurückgehen, wahrscheinlich aber eher dem damaligen stilistischen Kanon folgen. In hellenistischer Tradition steht das lange stark gelockte Haar, das durch einen Mittelscheitel geteilt ist und dessen vordere Partie um eine Stirnbinde gewunden ist,[1] hinter der die lockigen Strähnen in Ohrhöhe wieder hervortreten. Indischer Einfluss lässt sich wieder an den Ohren mit den lang ausgezogenen Ohrläppchen erkennen, an denen ein kostbarer Ohrschmuck in Form einer vierblättrigen Rosette befestigt ist. Schmuck dieser Art ist aus der Gandhāra-Kunst bekannt und wurde u.a. in Taxila gefunden. Der untere Teil der Rückseite des Kopfes ist beschädigt. Tiefe gewundene Furchen sind an den Stellen geblieben, an denen vormals die separat gefertigten Haarsträhnen angefügt waren. Vergleichbare Darstellungen für diesen Frauentypus und diese Frisur finden sich vor allen in den noch indo-parthisch beeinflussten frühen Gandhāra-Reliefs aus Butkara (Swāt, Nordwest-Pakistan), einigen Statuen aus Sirkap[2] und aus Kālawān[3], und stärker stilisiert, in Hadda[4] (Afghanistan).
Sylvia Winkelmann, 2009
[1] Bongart-Levine 2004, Abb. 11: Athene-Figur aus Nisa.
[2] Faccenna 1964, Tf. CCXCIII (79), Stūpa 9, CDXXXVI, CDXXXVII, WS 100; Ingholt 1957, Nr. 347, 356, 367.
[3] Ingholt 1957, Nr. 510.
[4] Ähnliche, aber weitaus stärker stilisierte Frisur mit Mittelscheitel und Haarband in Hadda: Barthoux 1930, Tf. 49 a. Gleiche Frisuren auch bei den hellenistischen Figuren auf den Rhyta aus Nisa: Stawisky 1979, Abb. 65, 66.
Katalog _ Museum DKM: Gandhāra, 306 – 307, Kat-Nr. 109.

