ALTE KUNST: GANDHĀRA
Ausgewählte Werke
Kopf einer Stifterfigur – zentralasiatischer Kriegerfürst
Afghanistan oder Nordwestpakistan späte Gandhāra-Zeit
Terrakotta
15 x 10,8 x 11 cm HBT
Später Gandhāra-Stil, 3. – 4. Jh. n.u.Z.
Inv.-Nr. 100.005.0012
Erhaltungszustand: Gut. Rotbraun bis graubraun gebrannter Ton mit Spuren von schwarzer Bemalung auf dem Haar und den Brauen. Kleinere Abplatzungen auf den Haaren. Verkrustet. Teile des Halses und des Lederhelms sind abgebrochen.
Dieser Kopf bildet einen Mann zentralasiatischer Herkunft ab, der sich besonders durch seine Augenpartie mit den kleineren, mandelförmigen, engstehenden Augen und den feinen, zusätzlich grau bemalten Augen brauen sowie durch das runde, flächige Gesicht von den anderen Köpfen unterscheidet.[1] Kinn und Ohren sowie die Ausformung des Haares scheinen dagegen standardisiert zu sein. Der Mann trägt einen bis in den Nacken reichenden Lederhelm, der die Ohren freilässt. Dieser Helm gehört zur typischen, zentralasiatischen Rüstung und weist darauf hin, dass es sich hier um einen Krieger der zentralasiatischen Nomaden handelt. Über den Ohren drängen die charakteristischen lockigen Haarsträhnen der späten Gandhāra-Kunst unter dem Helm hervor. Weitere Haarsträhnen kringeln sich direkt auf dem Scheitel des Kopfes zu einem kleinen Knoten. Dieser Knoten gehört zu den fürstlichen Merkmalen und weist zusammen mit den langgezogenen durchbohrten Ohrläppchen darauf hin, dass wir es hier nicht mit einem einfachen Krieger zu tun haben, sondern mit einem von fürstlichem Geblüt, einem Mitglied der nomadischen Oberschicht. Die Darstellung dieses Haarknotens schien dem Künstler oder auch dem Stifter selbst so wichtig gewesen zu sein, dass dafür die Lederkappe durchbrochen wurde, die damit eigentlich ihre Schutzfunktion verliert. Die ethnische Zuordnung der Figur ist schwierig. Eventuell handelt es sich um einen Mongolen.
Sylvia Winkelmann, 2009
[1] Vergleichbares Gesicht aus Bamiyān: Tarzi 1977, Bd. I, 112, Bd. II, 40, B 85.
Katalog _ Museum DKM: Gandhāra, 316 – 317, Kat-Nr. 114.

